Belastung

Vor ungefähr einer Woche ist die Beziehung mit meinem Lieblingsmenschen auf einen Höhe-, bzw. in diesem Kontext Tiefpunkt gekocht. Unserer beider Depressionen und psychischen Eigenheiten die wir uns nicht aussuchen haben sich immer mehr gegenseitig verstärkt und verschlimmert. Dass einige unserer Eigenschaften sich eher gegenüberstehen als ergänzen war von Anfang an klar, aber bis dahin hatten wir es irgendwie hinbekommen – nun nicht mehr. Nach einer vergleichsweise kurzen, sehr eindeutigen Zeit konstanter Krisen auf beiden Seiten wurde dann die Reißleine gezogen. Aber nicht von mir.

Meine Verlustängste haben schon von jeher übelste Probleme verursacht, in jeder Art zwischenmenschlicher Beziehung und Interaktion auf irgendeinem emotionalen Level. In meiner Kindheit und ersten Beziehung hab ich beigebracht bekommen bzw. gelernt dass Zuneigung irgendeiner Art per default niemals kommt, extrem fragil ist, ich Schuld bin wenn sie ausbleibt und in einem sehr starken Ungleichgewicht liegt gemessen daran was von meiner Richtung kommen muss. Das ist etwas gefühlsmäßiges und im Kontext dessen dass meine emotionale und Sprach-Intuition sehr unüblich funktionieren kein Spiegel der Realität, aber da meine Emotionalität einen scheiß interessiert was ich rational weiß kommt das natürlich nicht an und das Gefühl ist ebendieses. Dass ich auch tatsächlich die Erfahrung von extrem wenig vor allem körperlicher Zuneigung gemacht habe kommt da dann noch oben drauf, und alles zusammen erzeugt für mich wenn ich auch nur ein Mindestmaß an Zuneigung bekomme – empfinde! – dass ich das auf keinen Fall verlieren will, und eine extreme Angst davor habe dass das passiert.

Zuneigung ist lebenswichtig für mich, das ist sie wohl in gewissem Maß für jeden Menschen, aber ich habe weitere Hintergründe die das Thema für mich besonders kritisch machen.

Einerseits funktioniert meine Körpersprache auf keinem üblichen Level; wenn es mir schlecht geht – selbst wenn ich suizidal bin – kann mir das nahezu niemand jemals ansehen, geschweige denn emotionale Empathie aufbauen welche das (unterbewusst beeinflusste) Verhalten (vor allem in eine physische Richtung, wie Umarmung oder körperliche Nähe) beeinflusst. Das führt dazu dass ich emotionalen Zuspruch nahezu niemals erfahre, in meinen schlechten Phasen also fast immer völlig alleine gelassen bin (eben selbst wenn Menschen anwesend sind), und dass selbst wenn ich sehr konkret damit bin wie es mir geht der Mensch mit dem ich rede emotional sehr distanziert bleibt weil bei mir eben die emotionale Subtext-Basis fehlt.

Andererseits führt meine Depression dazu dass ich aus normalen täglichen, sozialen Interaktionen sehr wenig bis nichts emotional positives ziehen kann (schon gar nicht langfristig). Ich genieße Menschen um mich herum; mein Gehirn schaltet dann auf einen “evolutionären Alarm-Modus” was sehr viel Konzentration und Fokus in Anspruch nimmt was dann tatsächlich emotional recht entspannend ist da mein Gehirn dann nicht mehr nur in mir selbst Amok läuft (das ist dann zwar mental anstrengend, aber ich bin lieber erschöpft als depressiv oder gar suizidal). Aber mittel- und langfristig kommt dabei seltenst bis nie was raus; sobald ich mich umdrehe für den Nachhauseweg ist dieser Zustand bereits verschwunden.

Zu diesen Dingen kommt dann noch dass Sprache für mich auf einem anderen Level funktioniert; auf einem überhaupt nicht intuitiven. Alles sprachlich kommunizierte nimmt für mich sofort einen sehr sterilen Zustand an; ich kann davon zwar emotional getriggert werden und je nach Assoziation des Contents kann das Emotionen auslösen, aber generell löst Sprache fast nichts emotionales bei mir aus. Das bedeutet dass verbaler Zuspruch zwar nett zu hören ist, aber emotional nicht viel dadurch passiert. Auch das ist ein potentieller positiver Faktor der für mich wegfällt.

Da ich positiven emotionalen Input aus so wenigen, im Alltag also eher überhaupt keinen, Quellen beziehen kann, sind Beziehungen für mich so lebenswichtig – tiefe emotionale, im Bereich dessen wie ich Liebe beschreiben würde. Von dort kann ich sehr viel Energie schöpfen, wenn ich physisch-persönlich Zeit mit diesem Menschen verbringe. Auch hier kommt Sprache so emotional nicht an (Assoziationen, z.B. Erinnerungen an vergangene gemeinsame Zeit, schon in gewissem Maße), aber eine Beziehung bringt häufig physische Nähe und Affektion mit sich. Darin gehe ich dann voll auf; für mich ist das wie eine Oase in einer Wüste von emotionaler Einsamkeit. Nur so kann ich wirklich realen positiven emotionalen Input empfangen, und deswegen schätze ich das auch so sehr wert.

Und: Deswegen, in Kombination mit der Verlustangst, habe ich so schwere Probleme mit der Kommunikation von Bedürfnissen. Ich habe eine unfassbare Angst dass der Mensch sagen könnte dass das zu viel ist und sogar generell Affektion zurückschrauben könnte (selbst sehr kurzfristig tut das schon sehr weh, wie eine zurückgezogene Hand), und die Ablehnung an sich löst die Angst davor sofort aus. Das kommt nicht von irgendwo; ich musste erst lernen wie physisches Interagieren gesund und sinnvoll funktioniert und habe da ein paar extrem schwerwiegende Fehler begangen die ich niemals wiederholen kann – auch das kommt dazu, weil ich so eine brutale Angst vor Fehlern/Übergriffigkeit habe. Im Endeffekt bedeutet das dass ich sehr selten eigene Bedürfnisse über den “Flow” einer physischen Interaktion einbringen kann, noch weniger gehe ich von mir aus in eine nächste “Ebene” von Affektion über, und schon gar nicht initiiere ich sowas von mir aus.

Ich könnte fragen und kommunizieren, aber das ist eher das womit ich das größte Problem habe: Da Sprache nicht intuitiv ist und ich durch meine üble Fatshaming-Erziehung (und weitere Faktoren) einen vor allem körperlich bescheuert niedrigen Selbstwert habe, so stark in Richtung Selbstverachtung dass ich gleich erstmal den Spiegel im Bad ab- und den spiegelnden Wasserzähler verhängt habe, fällt es mir extrem schwer überhaupt anzunehmen dass jemand etwas mit mir vor allem körperlich tun wollen würde (das wird auch durch Mobbing in der Schule recht zuverlässig beigebracht). Ich weiß es rational zwar theoretisch aus Erfahrung dass das passieren kann, aber meine Emotionalität interessiert das kein Stück und gerade in solchen Situationen nimmt die Angst dann einfach die Überhand und ich schaffe es seltenst irgendwas meiner eigenen Bedürfnisse einzubringen. Selbst auf Anfrage ist das extrem schwer; die Hemmschwelle muss so niedrig wie möglich sein, also z.B. binär ja/nein, damit die besten Chancen betehen. Aber dafür muss man auch erstmal Menschen finden die so weit mitgehen (können).

Ich weiß dass alle diese Dinge niemandes Schuld sind (rational inklusive mir, auch wenn meine Depression wieder was anderes sagt) und schon gar nicht irgendjemandes Verantwortung. Ich verlange oder erwarte nicht im Geringsten dass sich irgendjemand hierauf, bzw. auf mich, einlässt (und intuitiv-emotional wüsste ich auch nicht wieso das jemand wollen könnte) – ich freue mich über das was ich bekomme und gehe kein Risiko ein das auch noch zu verlieren, denn die emotionale Energie, die Kraft dafür weiterzumachen und durch den Tag zu kommen, die Hoffnung dass es nicht immer scheiße sein wird, die kommt direkt und nahezu nur von diesen Dingen und das zu riskieren bedeutet, auch wieder intuitiv-emotional, mein Leben zu riskieren. Und auch mein Leben ist niemandes Menschen Verantwortung.

Und genau darauf ist es am Ende dieser Beziehung hinausgelaufen. Die ganzen Eigenheiten die ich mit mir bringe, die dann eine Beziehung mit mir mit sich bringt – meine Depression, Triggeranfälligkeit bei bescheuertsten Dingen, unübliche Funktions- und Kommunikationsweise, unintuitive Körpersprache und dass Affektion und Zuneigung bei mir kaum ankommen wenn sie nicht physisch ist (was nicht immer drin ist sein kann und sein sollte) – führen dazu dass diese Beziehung mit mir extrem anstrengend ist, auf sehr vielen Ebenen inklusive den wichtigsten wie mental health, Frustration, Energie und Emotionalität. Diese Energie muss ergo für eine Beziehung mit mir vorhanden sein, und das ist sie nicht immer, völlig unabhängig von den positiven Faktoren die ich (wie ich rational absolut weiß) mit einbringe. Das sind unabhängige Prozesse, und wenns auf der Energie-Seite mangelt dann kann das positive noch so toll sein – der Mensch wird trotzdem daran kaputt gehen.

Zu diesem Schluss ist dann auch mein Lieblingsmensch gekommen. Da es immer weiter runter ging und bei dem Menschen die mentale Situation persönlich immer härter wurde war irgendwann nicht mehr genügend Energie da um rechtzufertigen diese Beziehung weiterhin aufrecht zu erhalten. An dem Punkt waren wir dann vor ca. einer Woche, und nach einigen sehr harten Stunden in welchen meine beschissene Depression meisterhaft dargelegt hat wieso die Beziehung mit mir effektiv toxisch ist war die Reißleine dann unausweichlich.

Ich hatte immer Angst dass das passiert, von der ersten Sekunde, und bis zur letzten ignoriert was dann passieren könnte. Denn ich weiß eins: Hoffnung ist was mich am Leben hält. Eine Beziehung die zu Ende geht weil jemand einen Fehler macht, oder weil die äußeren Umstände nicht funktionieren, ist in anderen Bereichen schmerzhaft – aber sie implizieren nicht dass ich das Problem bin auf eine Weise die ich nicht unter Kontrolle habe, niemals entschieden habe, und selber absolut beschissen finde. Dieser Grund tut das. So gut der Mensch damit umgegangen ist, so gut es eben drin war, so sehr wie versucht wurde klar zu machen dass ich keine Schuld habe – nichts davon hat etwas an dieser Schlussfolgerung ändern können:

Ich werde keine Beziehung führen können ohne anstrengend zu sein ->

-> Ich muss immer Angst haben dass ich irgendwann zu viel werde

-> Ich werde niemals mit positivem emotionalen Input auf eine Weise umgehen können dass ich mich drauf verlassen kann dass das so bleibt

-> Das was mich langfristig am Leben hält, das was Breakdowns in ihrer Intensität, Frequenz und Dauer reduziert, das was meinen durchschnittlichen alltäglichen emotionalen Spiegel erhöht, ist nichts das für mich im Kontext meiner psychischen Umstände auf eine zuverlässige Weise jemals existieren kann

-> Es wird niemals aufhören scheiße zu sein.

Hoffnung ist das was mich am Leben hält. Wie ich funktioniere greift jede potentielle Quelle von Hoffnung effektiv sofort mit aller Kraft an – was im Endeffekt bedeutet dass ein Teil von mir verzweifelt versucht am Leben zu bleiben, weiterzumachen, während ein anderer den ich nicht unter Kontrolle habe konstant versucht dem seine Substanz, gar das Potential, zu nehmen.

Ich nehme mir selbst die Hoffnung.

Ich bin mir selbst die größte Belastung.

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